Claudia Kleinert – Unschlagbar positiv

Charisma zwischen Sein und Schein

Claudia Kleinert – Unschlagbar positiv

KEN. »Marilyn Monroe, Lady Di, Mildred Scheel und Steve Jobs hatten es; George Clooney, Melinda Gates, Barack Obama oder der Dalai Lama haben es«, sagt Claudia Kleinert. Und sie selbst hat es ebenfalls: Charisma. Sagt sie.


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Charisma, so finde ich, ist wie Zuckerwatte. Wer herzhaft in den Bausch hineinbeißt, für den bleibt nur ein Hauch von Süß. Ungefähr so flüchtig wie die Belege, die Claudia Kleinert vor allem aus dem Internet anführt und dann mit eigenen Erfahrungen auf den Umfang ihres Buches aufquellt. Mit »Kopieren« und »Einfügen« sind die wesentlichen Stichworte dazu über Programme wie OneNote oder Evernote schnell zusammen – gleich mit Quelle und ggf. Zeitstempel. Vielleicht ist Claudia Kleinert so aber ein wichtiger Punkt entgangen. Oder sie hat sich in der Eile darüber hinweggesetzt.

Charismatische Menschen reden zumindest nach meiner bisherigen Erfahrung in der Regel nämlich bestenfalls über das Charisma von anderen. Claudia Kleinert bietet sich hier als Alternative an. Für sie ist Charisma plan- und lernbar und kann dann ein Mittel zum Zweck sein, jemanden von etwas zu überzeugen und im Zweifelsfall die eigenen Umsätze zu steigern.

»Unschlagbar positiv – Die Charisma-Formel« stellt somit neue, zumindest andere Zugänge zum Thema des »inneren Feuers« vor, das nach außen durchscheint. Wer bisher meinte, dass Charisma bescheiden sein muss, lernt hier ebenfalls dazu. Charisma »ist« nicht mehr einfach edel und gut, es muss nicht mehr auch ohne Publikum auskommen können und braucht nicht weiterbrennen, wenn die Kameras ausgeschaltet sind und der Applaus verklungen ist. Charisma darf offenbar auch einfach »scheinen«.

Leider wärmt es dann nicht mehr, so wie das Feuer auf dem Bildschirm, das in modernen Wohnungen den Kamin ersetzt.

So wird es ein Unterschied sein, ob jemand wirklich charismatisch »ist« und/oder (nur) charismatisch »wirkt«. Letzteres könne man lernen, verspricht Claudia Kleinert mit der »Charisma-Formel«: »Ich habe gelernt, Charisma bewusst einzusetzen und charismatischer aufzutreten. Und das nicht mit der Intention, mehr Ausstrahlung zu erlangen, sondern um erfolgreicher Menschen überzeugen und mitnehmen zu können.«

Claudia Kleinert hat viel über Charisma zu sagen, und das tut sie auch. Mehr jedenfalls als der Dalai Lama es vermutlich jemals täte. Würden sie – Claudia und Dalai – die Rollen tauschen, wäre sein Wetterbericht wohl eine Schleife, die für jeden Tag passt: »Die Sonne scheint, es regnet, gewittert, stürmt oder schneit. Alles davon darf, nichts davon muss sein, denn weder das eine noch das andere ist wirklich wichtig. Und morgen ist dann eh alles anders.« In der Sendung danach könnte Claudia Kleinert dann über den Frieden »gaucken«.

Charisma, so habe ich in anderen Zusammenhängen erfahren dürfen, braucht kein Du zum Sein: das Feuer brennt auch, wenn sich gerade niemand daran wärmt, es bekommt nicht einmal seinen eigenen Schein mit. Der Schein dagegen braucht ein Gegenüber, das ihn wahrnimmt. Oder besser noch: für wahr nimmt.

Für einen mit Charisma Gesegneten wie Abdul Sattar Edhi (1.1.1928 – 8.7.2016) war Charisma vermutlich nie ein Thema. Dieser Gründer einer der größten Hilfsorganisationen weltweit war zu sehr damit beschäftigt, dass es anderen gut geht und wie er dazu beitragen kann, als dass er sich mit seiner Ausstrahlung beschäftigt hätte.

Claudia Kleinert kommt schon bald vom charismatischen Sein zum Tun mit umfangreich dargestellten Tipps für den besseren Auftritt und das charismatische Wirken. Die bekannteste Wetterfröschin nach Jörg Kachelmann ist eine Rampenfrau, die mehr kann als nur »Das Wetter!«. Sie hat bei einer Bank angefangen, jemand fand sie sympathisch. Claudia Kleinert nahm Kurse, wurde Moderatorin und brachte ab irgendwann Führungskräften bei, womit sie selbst erfolgreich ist.

»Je besser das eigene Auftreten und die eigene Wirkung, desto stimmiger kann man Inhalte vermitteln, Menschen führen, begeistern, überzeugen. Egal ob man nun, wie ich, vor der Kamera steht oder im Telefonmarketing, als Verkäufer oder Führungskraft in einem Unternehmen mit Menschen zu tun hat«, sagt Claudia Kleinert.

Vielleicht wird im Zusammenhang mit Charisma umgekehrt ein Schuh daraus: »Je stimmiger das eigene Auftreten und die eigene Wirkung, desto besser kann man Inhalte vermitteln …«

Hat nämlich ein professionell »durchgestylter« Auftritt zwangsweise etwas mit Charisma zu tun? Oder nehmen wir vielmehr bei charismatischen Persönlichkeiten etwas kaum Aussprechliches wahr, das keine noch so großartige Bühnenschau allein bewirken kann?

Kein Fotograf kann Charisma in ein Porträt hineinretuschieren. Wenn sein Objekt eine Stimme wie eine Kreissäge hat und sich zudem brutal und rücksichtslos verhält, werden wir es aus der Nähe kaum als charismatisch akzeptieren. Charisma mag mit Resonanz, Präsenz, präzisem Ausdruck und mit dem Intellekt zu tun haben, aber es hat auch etwas mit Vertrauen zu tun.

Charisma und Vertrauen winken sich in »Unschlagbar positiv« meiner Meinung nach bestenfalls von Weitem zu. »Charismatisch. Wirken. Wollen« reduziert das Feuer, von dem Claudia Kleinert schreibt, zu sehr auf den Schein. Ihre Ausführungen münden dann in klassischen Tipps für professionelle Sprecher und solche, die als Selbstvermarkter besser werden wollen.

Dagegen spricht grundsätzlich nichts, denn schlechte Redner gibt es schon genug. Sie verpassen den eigentlichen Punkt. Selbst Claudia Kleinert tut sich schwer, das einmal ergriffene Wort in der Bleiwüste von »Unschlagbar positiv« wieder abzugeben. Immerhin erwähnt sie ihren Lehrer Andreas Bornhäußer mit Respekt und Dankbarkeit. Diese Eigenschaften teilt sie gewiss mit charismatischen Persönlichkeiten.

Andreas Bornhäußer, der Entwickler des S.C.I.L.-Modells für den optimierten Auftritt über »Sensus«, »Corpus«, »Intellectus« und »Lingua« (etwa: wirksamer Auftritt durch Haltung, Intellekt und sprachliche Mittel) hat Claudia Kleinert überzeugt, dass Charisma für jeden lernbar ist. Ob das gut so ist?

Jain. Sicher lässt sich der eigenen Auftritt durch eine großartige Dramaturgie, Farb- und Stilberater, Stimmtrainer und dadurch optimieren, dass wir alle Mittel des Marketings von modernen sozialen Medien bis klassisch brutalen Ellbogentechniken nutzen lernen. Das alles ist vor allem eine Frage des Budgets und der Ausdauer unserer Auftrittscoachs. Meistens bedingt Ersteres auch das Letztere.

Charisma, und das ist in »Unschlagbar positiv« meiner Meinung nach zu wenig beschrieben, ist jedoch kein Ego-Trip. Es ist ein großartiges, wenn nicht göttliches Geschenk, um anderen besser dienen zu können, ohne dass wir uns dessen jemals bewusst werden müssten.

Abdul Sattar Edhi organisierte unter anderem Waisen-, Frauen- und Krankenhäuser und war seinen Mitmenschen so nahe, dass er auf einer harten Steinbank in einem der Gänge seines Zentrums schlief. Als ich ihn vor vielen Jahren in Karachi, Pakistan, interviewen durfte, war das ein selbstverständlicher Teil unserer Begegnung. Abdul Sattar Edhi strahlte eine absichtslose Freundlichkeit und Intensität aus, an die ich mich bis heute gerne erinnere. Er hatte offenbar die Gabe, sein Feuer zu teilen, und – dessen bin ich mir sicher – er hat es schon vor seinem Tod weitergereicht.

Claudia Kleinert hat einen wirkungsvollen Weg gefunden, Menschen bei ihren Auftritten in Firmen, Funk und Fernsehen anzusprechen, sie abzuholen und absichtsvoll mitzunehmen. Sie begründet ihren eigenen Erfolg mit Charisma. Schließlich gibt es genügend Interessenten, die mehr wollen als Freunde von Freunden auf Facebook oder Kontakte von Kontakten auf XING. Wie wir Charisma »lernen« können, scheint uns dabei zwangsweise attraktiver zu sein als der Hinweis vieler Auftrittscoachs, zu denen auch Claudia Kleinert gehört, dass wir die Struktur eines Vortrags, die Absichten der Auftraggeber und die emotionalen Bedürfnisse der Zuhörer bis hin zum passenden Vokabular möglicherweise mühsam erarbeiten müssten.

Spätestens da fühlte ich mich bestätigt, dass wirkliches Charisma ohne rhetorische Tricks und Technik auskommt, dass wirkliches Charisma weder Ziel noch Zweck braucht. So wie Feuer ohne Publikum brennt, Schein und Wirkung aber nur mit Publikum geht. Jeder kann seinen Auftritt und sein Marketing optimieren und etwas dafür tun, seine Themen und Leidenschaften zu teilen. Aber nicht jeder hat deshalb auch gleich Charisma.


Ein Beitrag von www.buecher-blog.net.

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